Antwort auf: Heute habe ich mir folgenden Film angesehen…. (2017)

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DerSchweiger
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@derschweiger

Der Duellist

Die Sehgewohnheiten des Giessener Studenten sind schon eigenartig. Da wird in der Sneak mal schnell der Saal verlassen, bevor auch nur drei Sätze gesprochen wurden.
Schuld war diesmal ein Film, der u.a. durch die Russische Filmförderung finanziert wurde und dazu (Oh Graus! Man wird zuhören müssen) das Setting um 1860 in der damaligen russischen Hauptstadt St. Petersburg präsentiert.

Ein Film, dessen Erzählklima (mich) sehr an „Taboo“ erinnert. Ein mürrischer, sehr in sich gekehrter Protagonist, sucht seinen Weg zur Wiederanerkennung des Adeltitels einer Familie.
Der ehemalige Offizier Jakolev verdient sich seinen Lebensunterhalt mit dem Führen von Duellen, indem er (dem Gesetz der Ehre folgend) gebrechliche Adlige in ihren Duellen vertritt.
Zu Gute kommen ihm hierbei seine zirkusreifen Fähigkeiten mit dem Revolver, dazu die nötige fehlende Furcht vor einer Niederlage.
Um auf Nummer Sicher zu gehen, weiß sein „Manager“ Mittel und Wege, um elegant aus der Affäre zu geraten, sollte der Duellgegner sehr heikel gewählt sein.

In Kreisen des russischen Militär- und Adelstandes kursieren jedoch Gerüchte über den Duellisten, der seine Gegner auch dann zu töten weiß, wenn sie ihm unbekannt sind (ein Frevel gegen jede Ehre).
Ist Jakolev etwa nicht der, für den man ihn hält? Welche Rolle spielt dabei der dubiose Graf Beklemishev?

Ein etwas komplexer Film, der auch mit der ungewohnt anmutenden Namenslandschaft der russischen Zarenlandschaft aufwartet und mitunter die Aufmerksamkeit des Zuschauers benötigt.
Die russische Hauptstadt wird schön (und schmutzig) in Szene gesetzt, die Kostüme schön anzusehen und die Geradlinig- und Kompromisslosigkeit in Fragen von Leben und Tod, hinterlassen einen sehr positiven Eindruck.
Dazu bietet er einen kleinen Einblick in die Freizeitgestaltung russischer Adliger jener Zeit (Fahrradfahren im Pit war der Renner).
Inmitten der gefühlten Kaltherzigkeit darf (leider) eine Romanze nicht fehlen. Die Dreiecksgeschichte wird zwar erst im letzten Drittel des Films intensiviert, auch trägt sie den Film in keine neue Richtung, doch wird sie zuweilen recht unglücklich in Szene gesetzt.
Für mich allerdings der einzig gravierende Kritikpunkt an diesem Film.

In der Summe eine sehr schöne Überraschung zur Wochenmitte.
Wer die ausholende Form der Dialoge des 18. Jahrhunderts mag (oder wenigstens ertragen kann), dazu die Bildsprache á la „Taboo“ zu schätzen weiß, bekommt hier einen Film, der sich wohltuend von der Comicüberschwemmung und Dialogmonstern wie „Fick dich, Motherfucker! – Fick dich einmal mehr, Motherfucker!“ abzuheben weiß.
Ich fühlte mich bestens unterhalten – der Reaktion des Sneak Publikums entnehme ich aber mal die Prognose, dass es nicht jedermanns Geschmack sein wird.

8/10