Antwort auf: Heute habe ich mir folgenden Film angesehen…. (2017)

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DerSchweiger
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@derschweiger

Miss Sloane – Die Erfindung der Wahrheit

Lobbyistin Elisabeth Loane wird von ihrem Chef aufgefordert, dafür zu sorgen, dass der Gesetzesentwurf eines ambitionierten Senators hinsichtlich der Verschärfung der Waffengesetze in den USA (zukünftig soll eine Art „Führungszeugnis“ beim Kauf von Waffen vorgelegt werden) niedergeschmettert wird.
Im Grunde wäre es für sie ein Leichtes, doch ihre persönliche Einstellung zum Waffengesetz verbietet ihr das Engagement. Ihrem Rauswurf kommt sie zuvor, indem Sie und die Hälfte ihres Teams in die Firma Schmidt (klein und idealisiert) wechselt, um dort daran zu arbeiten, dass der Gesetzesentwurf eine positive Abstimmung erfärt.

Ziel dabei ist es, so viele Senatoren wie möglich für ihre Ideen zu gewinnen. Dass die Politik ein schmutziges Fahrwasser sein kann, wird hier wortgewaltig und skrupellos (von beiden Seiten) dargestellt.
Im Fokus steht dabei in jeder Szene Miss Loane, die sich mit Hilfe von Aufputschmitteln auf den Beinen hält und jeden Tag als Siegerin beenden möchte (sofern sie denn auch mal eine Minute Schlaf findet).
Um ihr großes Ziel, die Verschärfung des Waffengesetzes zu erreichen, nutzt sie permanent unlautere Mittel und schreckt vor Bauernopfern aus den eigenen Reihen nicht zurück.

Der Film ist, wie die Hauptfigur, wortgewaltig, intrigant, verlogen und versucht optisch darüber hinweg zu täuschen, dass dem Plot schnell die Luft ausgeht.
Fasst man Ende der 130 Minuten zusammen, was man gesehen hat, so kommt es über ein durchschnittliches Polit-Scharmützel nicht hinweg.
Jessica Chastain spielt die Loane sehr engagiert und erlaubt ihr einige Szenen der inneren Zerbrechlichkeit – wobei der Zuschauer nie sicher sein darf, ob diese Momente nicht gar aus Kalkül entstehen.

Das Thema weißt in den USA wohl weitaus größere Brisanz auf, als hier in Deutschland. Die Argumente der Waffenlobby sind arg dünn, werden aber pathetisch und klischeehaft in Wort und Tat umgesetzt.
Mich hat bis zum Ende die Motivation der Loane interessiert – aus welchem Grund vertritt sie so vehement die Seite der Befürworter und warum ist die (sehr erfolgreiche) Lobbyistin bereit, alles hierfür zu opfern?
Man schwankt zwischen Verständnis und Erschrecken, wenn man ihre Mittel zum Zweck präsentiert bekommt, was für mich die eigentliche Faszination des Films ausmacht.

An anderer Stelle wird natürlich gelobt, wie ProFeminim und ProCulture der Film sei (Frau stemmt sich mit aller Macht gegen männlich geführtes Establishment, Team mit multikulturelem Hintergrund untersützt sie).
Man kann ein beliebiges Thema aber auch Bedeutsamer machen, als es sein sollte.

Ein, zwei Wendungen zu viel und ein Klischeebeladenes Finale, dass nach den 120 Minuten zuvor schrecklich deplaziert und plump inszeniert erscheint. Der große Paukenschlag (bzw. „Erdbeben“) verpufft kaum dass er erscheint.
Mit der finalen Szene wird zwar nochmal um Wiedergutmachung gebeten, aber na ja…

Eine starke Hauptdarstellering, gut besetzte Nebenrollen, ein etwas zu dick aufgetragener Plot und lange wie komplizierte Dialoge erlauben es nicht, den Film nebenher zu schauen.
Insbesondere in den ersten 20-30 Minuten strengt er sehr an, dann kommt er jedoch gut in Fahrt und knallt leider gegen die Wand.

6,5/10